Pressemitteilung vom 7.2. mit Fazit zum Protestcamp


Neun Tage lang protestierte die Bürger*inneninitiative „Schlafen statt Strafen“ deutlich sichtbar in der Dortmunder Innenstadt gegen die Diskriminierung und Verdrängung von obdachlosen Menschen. Ziel des Protestcamps war es, auf Missstände und Lücken im Obdachlosenkonzept der Stadt Dortmund hinzuweisen, wie beispielsweise den Mangel an menschenwürdigen Notschlafstellen, die diskriminierenden Zugangsbeschränkungen zu den bestehenden Nothilfeangeboten, die Verdrängungspraxis des kommunalen Ordnungsdienstes und das Nicht-Vorhandensein kostenfreier Toiletten im Stadtbereich. „Wir sind beeindruckt von dem großen öffentlichen Interesse“, so Anna Flaake, Sprecherin der Initiative. „Wir haben zahllose Gespräche mit Passant*innen geführt und es gab eine Vielzahl von Berichten in lokalen, überregionalen und bundesweiten Medien. Besonders schön war auch die große praktische Solidarität durch Lebensmittel- und Sachspenden und die spontane Übernahme von Aufgaben im Camp durch Bürger*innen.“ Das zeigt, dass der würdelose Umgang mit obdachlosen Menschen auf breites Unverständnis und Fassungslosigkeit trifft.

Ein weiteres Ziel des Camps war es, die schon aus anderen Zusammenhängen bestehenden Kontakte der Aktivist*innen von „Schlafen statt Strafen“ zu von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen weiter zu verstärken. Das sollte durch die unübersehbare Anwesenheit in der Fußgängerzone, das Angebot von Schlafplätzen und die tägliche „Küche für Alle“ forciert werden. Dass dieses Angebot zur Teilhabe am Camp-Leben zu einem so durchschlagenden Erfolg wurde, hatte die Initiative selbst nicht vorhergesehen. „Wir waren sehr überrascht, dass sich so schnell rund 25-30 Betroffene dem Camp angeschlossen hatten“, berichtet Anna Flaake. „Es ist bezeichnend für die Qualität der Nothilfe in Dortmund, dass ein Zeltlager in der Innenstadt bei Frost und Regenwetter im Januar für so viele Menschen eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenssituation ist.“ Dass viele der obdachlosen Menschen nicht nur passive Bewohner*innen des Camps waren, sondern sich aktiv in der Weiterentwicklung des Camplebens einbrachten und dabei im Laufe der Woche aufblühten und immer mehr Verantwortung übernahmen, zeigt, dass partizipative Ansätze selbst in der akuten Nothilfe ein großes Erfolgspotential haben.

Ein Hauptanliegen von „Schlafen statt Strafen“ ist die politische Partizipation von Betroffenen. Daher war der Infowagen der „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V.“ nicht zufällig einer der weithin sichtbaren Eckpfeiler des Camps. Die Kontakte mit dieser bundesweit aktiven Struktur wurden während des Camps intensiviert und die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit gelegt. Die Einbindung von selbstorganisierten Strukturen in Entscheidungsprozesse fordert „Schlafen statt Strafen“ auch in Dortmund. Diese Forderung wird auch beim Treffen des „Netzwerks Wohnungslosenhilfe“ angesprochen, zu dem die Initiative von der Stadt Dortmund nach großem öffentlichem Druck eingeladen wurde. Anna Flaake: „Ein Konzept zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit kann nur dann funktionieren, wenn man die Betroffenen auch selbst fragt und einbezieht, anstatt immer nur über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden.“ Diese Position hat die Initiative zusammen mit Betroffenen auch den Vertreter*innen der demokratischen Ratsfraktionen gegenüber deutlich gemacht, die am 4.2. einer Einladung ins Camp gefolgt waren. Alle vertretenen Ratsfraktionen hatten bei diesem Treffen versichert, dass ihnen die Verbesserung der Lebenssituation obdachloser Menschen ein großes Anliegen sei. Allerdings wurde bei diesem Treffen auch deutlich, dass vielen Ratsmitgliedern die Dramatik der Situation zwar auf einer persönlich-emotionalen Ebene bewusst ist, ihnen Lösungsansätze bekannt sind, es aber an Strategien zur tatsächlichen Umsetzung fehlt.

Insgesamt wertet „Schlafen statt Strafen“ das Protestcamp als Erfolg. Neun Tage des intensiven Zusammenlebens, zusammen mit einem reichhaltigen Programm an Vorträgen, Vernetzungen, Konzerten und Kundgebungen haben einen bleibenden Eindruck nicht nur in der Stadt, sondern auch bei den Aktivist*innen hinterlassen. „Wir werden weitermachen“, sagt Anna Flaake. „Die prekäre Situation wohnungsloser Menschen in Dortmund lässt es nicht zu, dass wir uns jetzt ausruhen. Es wird in Zukunft weitere Aktionen von uns geben, bis sich etwas nachhaltig ändert.“ Das nächste Treffen der Initiative, zu dem auch einige von Obdachlosigkeit betroffene Camp-Bewohner*innen bereits ihr Kommen ankündigten, wird am 15.2. um 18 Uhr im Kasino (Mallinckrodtstraße 234) stattfinden. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich anzuschließen.