Pressemitteilung zum tödlichen Polizeieinsatz am 3.4.24 in Dortmund

Gemeinsame Pressemitteilung des Solidaritätskreis Justice4Mouhamed und der Initiative Schlafen statt Strafen“:

Die Initiative „Schlafen statt Strafen“ ruft gemeinsam mit dem Solidaritätskreis Justice4Mouhamed zu einer Kundgebung am 05.04.2024 um 19 Uhr an der Reinoldikirche auf. Das Bündnis erinnert an den Verstorbenen und fordert eine lückenlose, unabhängige Aufklärung dieses erneuten Falls von tödlicher Polizeigewalt. „Wir sind erschüttert vom Tod des wohnungslosen Mannes, der gestern durch die Dortmunder Polizei an der Reinoldikirche erschossen wurde. Wir sind erschüttert davon, dass es in Dortmund einen weiteren Toten durch die Polizei gibt, nachdem Mouhamed Lamine Dramé vor weniger als zwei Jahren von der Polizei erschossen wurde und ein 44-Jähriger Mann ohne Wohnung kurz danach in Dorstfeld als Folge eines Tasereinsatzes durch die Polizei starb“, so eine Sprecherin des Bündnisses.

Den aktuell veröffentlichten Berichten nach soll der getötete Mann, der noch nicht namentlich genannt ist, einen anderen wohnungslosen Mann mit einer circa 2.5 m langen Eisenstange angegriffen haben, bevor die Polizei eintraf. Die Polizei forderte ihn nach ihrem Eintreffen auf, die Stange wegzulegen. Als er der Aufforderung nicht nachkam, taserte die Polizei den 52-Jährigen. Als dies nicht die gewünschte Wirkung zeigte und er sich auf die Polizei zubewegte, erschoss ihn einer der Polizist*innen (WDR, 2024). Anstatt die Situation zu beruhigen und auf Abstand zu gehen, griff die Polizei den Mann an, wie auch mehrere Videos und Berichte von Augenzeug*innen belegen, welche dem Bündnis vorliegen.

Dieser Fall zeigt wieder einmal die Unfähigkeit der Polizei, mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen umzugehen. Wie bei Mouhamed Dramé und dem weiteren Menschen, der 2022 in Dortmund getötet wurde, eskalierte die Polizei die Situation durch den Einsatz von Tasern, anstatt deeskalative Mittel auszuschöpfen. Taser und Pfefferspray sind nach Einschätzung vieler Expert*innen grundsätzlich ungeeignet in dynamischen Situationen und bei Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Die drei tödlichen Polizeieinsätze in Dortmund bestätigen dies auf dramatische Weise. „Wir sehen das TaserExperiment als gescheitert an, denn immer wieder führt der Gebrauch dieser Waffen zum Tode und eine Deeskalation wird nicht erreicht“, so die Sprecherin des Bündnisses.

Doch noch viel schwerwiegender ist der erneute Einsatz tödlicher Schusswaffen. Dieser ist in keinem Fall eine logische Konsequenz auf das Tasern. Die Tötung von Menschen in psychischen Ausnahmesituationen durch die Polizei darf nicht passieren. Als Teil der Exekutive behauptet die Polizei, für die Sicherheit aller Menschen zu sorgen, egal woher diese kommen, in welchen Lebensumständen sie sich befinden und auch in welcher psychischen Situation sie sind. Doch dieser Aufgabe kann und möchte eine mit militärischem Gerät hochgerüstete Institution nicht nachkommen und die vermeintliche „Sicherheit“ der Polizei besteht zum großen Teil in der Kontrolle und Verunsicherheitlichung marginalisierter Menschen. So kommt es dann auch oft zu maßloser Gewalt. Bilder von gleich mehreren Polizeibeamt*innen, die auf Menschen in psychischen Krisen losgehen oder schießen, gehen dank aufmerksamer Passant*innen um die Welt und lassen das Bild von einer Polizei als „Freund & Helfer“ bröckeln. 

Wohnungslose Menschen sind besonders häufig von dieser Gewalt betroffen und durch ihre vulnerable Lebenssituation, die starke Stigmatisierung und Marginalisierung, die sie erfahren, eigentlich besonders auf Schutz angewiesen. Immer wieder müssen Menschen ohne Wohnung Gewalt und Willkür von kommunalem Ordnungsdienst, Ordnungsamt und Polizei erfahren. Im Zwischenbericht der durch das Innenministerium beauftragten Studie der Deutschen Hochschule der Polizei wurden Vorurteile gegenüber Wohnungslosen sowie muslimfeindliche Einstellungen innerhalb der Polizei festgestellt (Zeit, 2023). Dass erst dieser Tage bekannt wurde, dass es mindestens 400 laufende Ermittlungen gegen Polizist*innen wegen rechtsextremer Gesinnung laufen, sollte dabei auch mehr als eine Randnotiz sein (Stern, 2024). Die Polizei zeigt auf allen Ebenen, dass sie nicht fähig und gewillt zu deeskalierenden Einsätzen und dem Umgang mit vulnerablen Personengruppen ist

Dies ist einer der Gründe, weshalb auch die Übergabe der Ermittlung des Falls an die Polizei in Recklinghausen scharf zu  kritisieren ist. Es braucht von der Polizei unabhängige Ermittlungsstrukturen, die Fälle von Polizeigewalt untersuchen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Polizist*innen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Es besteht keine Unabhängigkeit zwischen Polizeistationen. Polizist*innen können nicht unabhängig gegen ihre eigenen Kolleg*innen ermitteln. 

Um eine unabhängige, lückenlose Aufklärung der tödlichen Schüsse zu fordern und sich gegen Polizeigewalt zu stellen, rufen die Initiativen am Freitag um 19 Uhr zur Kundgebung an der Reinoldikirche auf. Wir fordern Schutz für, statt Gewalt gegen marginalisierte und vulnerable Gruppen wie wohnungslose und von Rassifizierung betroffene Menschen. Das Bündnis fordert: „Keine weitere Person darf durch tödliche Polizeigewalt sterben. Außerdem möchten wir den Namen des Verstorbenen wissen, da nur so ein würdiges Gedenken möglich ist.“ 

Die Forderung nach einer grundlegenden Umstrukturierung, Demilitarisierung und Entnazifizierung der Institution Polizei sowie eine verstärkte Finanzierung von sozialen Hilfen und die Beauftragung von sozialen Akteur*innen anstatt der Polizei wird auch durch diesen Fall von tödlicher Polizeigewalt deutlich untermauert.

Unsere Gedanken sind bei dem getöteten Menschen und allen Menschen, die nun an ihn denken und um ihn trauern.